Inhaltliche Beschreibung
Videoarbeit: "Shooter"
Für das Projekt wurden seit Anfang 2000 so genannte "Lan-Events" (Lan= Local Area Network) veranstaltet. Computernetzwerke wurden aufgebaut und die Teilnehmer während des Spiels mit einer Spielsoftware, so genannte "Ego Shooter" oder "First Person Shooter", fotografiert.
Netzwerke verschiedener Größe (Firmen lan, Institutionen, Internet) wurden untersucht, ausgewählte Spieler aus Chat-Channels für die Aufnahmen eingeladen. Aus unterschiedlichen Berufssparten und sozialen Hintergründen wurden Spieler für diese Aktionen gewonnen. Die vorliegenden Aufnahmen zeigen einen Ausschnitt der Video Arbeit.
Die Spieler werden jeweils für die Dauer eines Lebens im Spiel (ca. 2 Min.) gezeigt. Im Durchschnitt verlieren die Spieler abhängig von ihren Fähigkeiten im Spiel innerhalb eines Punktespiels von 5 – 10 Minuten ca. 25 Mal Ihr Leben.
Insgesamt wurden bis heute in einem Zeitraum von 1 1/2 Jahren 9 Aktionen organisiert und 54 Spieler fotografiert und gefilmt.
Fotoarbeit: "Shooter"
Seit Anfang 2000 wurden für das Projekt so genannte lan-events (lan= local area network) veranstaltet um die Wirkung von First-Person-Shooter Spielsoftware (Ich-Perspektive, z.B. "Unreal", "Quake series", "Counterstrike") zu untersuchen. Netzwerke, ähnlich einer Versuchsanordnung, wurden aufgebaut und die Teilnehmer während des Spiels fotografiert. Spieler wurden dafür aus Chat-Channels für Aufnahmen eingeladen. Aus unterschiedlichen Berufssparten und sozialen Hintergründen wurden Spieler für diese Aktionen gewonnen. Die vorliegenden Aufnahmen zeigen einen Ausschnitt der fotografischen Arbeit. Die Titel der Bilder setzen sich zusammen aus den Namen, die sich die Spieler selbst gegeben haben, und der Pulsfrequenz des einzelnen Spielers im Augenblick der Aufnahme.
Für alle e-sports über Internet- und Netzwerkverbindungen werden zwei Programme benötigt: First-Person-Shooter Spielsoftware (3D-ego-shooter: z.B. "Quake", "Unreal", "Counterstrike", "Half Life" etc.) und IRC client (internet relay chat).
Die FPS-Software fordert, um erfolgreich damit zu sein, hochgradig die Konzentration und räumliche Vorstellungskraft der Spieler. In dem Spiel geht es trotz seiner Komplexität und den vielschichtigen Bedienungsoptionen um "find and kill"- Motive. Die Kampfsituationen lösen bei den Spielern überwiegend Anspannung und Stress aus, dennoch wird diese Tätigkeit von den Meisten als "entspannend" beschrieben.
Die Spielsituationen werden von archaischen Motiven beherrscht, die schließlich durch kontrollierte Aggression und Übung kanalisiert werden können. Im Spiel geht es um extreme körperliche Situationen und einen andauernden Überlebenskampf, der in einer körperlichen Wirklichkeit schon nach kurzer Zeit beim Menschen zur völligen Erschöpfung führen würde. Da die Situation für den Spieler durch das Spiel sehr realistisch simuliert wird, aber zugleich überhaupt keine körperliche Anstrengung abverlangt, bekommt der Körper gegensätzliche Nachrichten vom in Anspannung gehaltenen Geist und den erwachten Instinkten. Die Reaktionen sind individuell und allgemein in gleichem Maße. Wenngleich Übersprungshandlungen, Spastiken, Muskelverspannungen, Pupillenweitungen und ähnliche Äußerungen – jenseits der psychischen Reaktionen - aus dieser Situation zwischen den Welten physiognomische Verbindlichkeiten bilden.
Für die internationale Szene der e-sport Anhänger ist außer der Spielsoftware noch der IRC (internet relay chat) von großer Bedeutung. Die chatrooms und -channels (#channelname) sind praktisch die Umkleidekabinen der Spieler, in denen sie sich - zu mittlerweile Tausenden – auf der ganzen Welt zu jeder Zeit treffen. Von dort aus verabreden sie sich, mittels Server IP-Adresse, zu Spielen auf Rechnern rund um den Globus, um sich dann auf dem virtuellen Schlachtfeld gegenseitig zu töten (fraggen). Hier lernen sich Spieler überhaupt erst kennen und beginnen teilweise Jahre anhaltende Beziehungen zu Teammitgliedern. Mannschaften (clans) werden gebildet und mit Internetpublikationen dekoriert von Menschen, die sich größtenteils nie gesehen haben und niemals sehen werden. In Büros und Arbeitsplätzen jeder Branche, ebenso wie aus dem Privatraum treten Menschen über Computer in Kontakt miteinander, betreten gemeinsam Vorstellungsräume der Sprache und der Architektur, arbeiten gemeinsam oder kommunizieren und dies in unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Ausdehnungen.
Das Projekt ist seinem Ansatz nach eine breit gefächerte, künstlerische Recherche und bedient sich im Wesentlichen einer Großformat- und einer Videokamera, Puls- und EKG-Messgeräten, qualitativer Methoden und Überlegungen, sowie der empirischen Sammlung. Die wesentlichen Themenkreise der Arbeit sind das Verhältnis des Menschen zu realen und virtuellen Räumen im privaten und beruflichen Bereich sowie dessen Niederschlag in der Physiognomie und der Psyche.
Zu fragen ist, ob durch die Möglichkeit einer theoretisch infiniten Informationsdichte an einem beliebigen Ort in der Welt, dem Zusammenlaufen von unendlichen kommunikativen Möglichkeiten, gesteigerte Mobilität des Individuums ausgelöst wird oder diese überflüssig macht. Mittels aller denkbaren Instrumente der Kommunikationstechnologie vergrößert sich der realräumliche Handlungsradius in zunehmendem Maße und marginalisiert in umgekehrt proportionalem Maße die Notwendigkeit der Bewegung im realen Raum. Der Zugriff auf und die Kontrolle von Kameras, Daten, Kommunikationseinheiten, Informationskanälen und Maschinen jeglicher analogen und digitalen Art ermöglicht eine Steuerzentrale des eigenen Daseins im Hier und Jetzt zu errichten und dabei noch Programmwahl betreiben zu können. Die zentrale Frage
der so genannten Medienkunst nach der Obsoledität des Körpers wird einmal mehr zur Parabel des technologisierten Lebens.
Die Untersuchungspunkte des Projektes sind nicht auf die menschlichen Aggressionspotentiale zentriert, sondern vor allen Dingen auf die Themenkreise der Kommunikation unter verschiedenen räumlichen Wahrnehmungssituationen. Die Tatsache, dass Aggressionszustände und Realitätsverlust mittels Technologie ausgelöst werden können, indiziert nur zwei der Möglichkeiten von induziertem Verhalten. Zu Fragen ist nach der Diskrepanz zwischen simulierter Raumwahrnehmung und Realraumgefühl des Menschen, die sich nicht a priori als negative Auswirkung beschreiben lässt. Die wahrnehmungstheoretisch am besten funktionierende Raumillusionierung des Menschen ist die Vorstellungskraft. Eine projizierte, langsam schaukelnde Horizontlinie ermöglicht es einem Piloten eine Flugbewegung nachzuvollziehen, nachzuempfinden. In der virtuellen Architektur wird die Substanz des Realraums zur Textur. Ein Extra, dessen Entwicklungsstufe - zusammen mit der Raumbewegung – die Qualität der Simulation bedingt.
Wenn wir die durch die Technologie versprochene Freiheit auf der Basis einer allumfassenden Kommunikationsgewalt nützen wollen wird es nötig sein, die menschliche Physiognomie im Raum zu betrachten, wie wir mittlerweile den Realraum auch aus dem virtuellen Raum heraus betrachten.