Inhaltliche Beschreibung
Beim Einsatz der Neuen Medien für die Erkenntnis- und Darstellungsinteressen der Disziplin Kunstgeschichte ist unsere Philosophie, mit eingeführten Programmen Ergebnisse zu erzielen, die dann auch für den weniger versierten Computer-Nutzer einfach zu erleben sind (vgl. www.villa-rotonda-projekt.de, www.serlio.de). In diesem Projektseminar des Fachgebiets Kunstgeschichte der TU Darmstadt wurde ein ungebautes Hauptwerk des deutschen Expressionismus zum Gegenstand gewählt: „Die Sternkirche von Otto Bartning. Analyse – Visualisierung – Simulation“. Die Möglichkeiten einer Technischen Universität haben wir intensiv genutzt: Die erstmalige architekturhistorische Analyse haben wir verbunden mit einer technischen Untersuchung von Statik, Konstruktion und Raumakustik. Die Ergebnisse flossen in ein CAD-Modell ein, das dann die ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen wieder für ihre Analysen und Simulationen benutzen konnten. Ziel war eine Präsentation in einer Ausstellung mit Terminals und Beamer (Kunsthalle Darmstadt, 18.04.-01.05.2002) sowie ein Buch mit CD-ROM (Frings, M. (Hrsg.): Die Sternkirche von Otto Bartning. Analyse. Visualisierung. Simulation. Weimar 2002) und eine Website ( http://www.sternkirche.de ).
Das grundlegende Material waren die zahlreichen Entwurfszeichnungen und historischen Modellfotos sowie das große Gipsmodell im Nachlass Bartnings an der TU Darmstadt, ferner einige unveröffentlichte Aufzeichnungen Bartnings. Daraus konnten alle beteiligten Disziplinen wichtige Informationen ziehen, und es ist gelungen, den Entwurfsprozess der "Sternkirche" nachvollziehbar zu machen. Alle für die Simulation wichtigen Fragen wurden sauber recherchiert und diese Recherche in der Web- und CD-Präsentation dokumentiert: Statik, Konstruktion, Materialien, Oberflächen, Orgel.
Die Simulation kombiniert überblendete Standbilder für den Weg in das Gebäude und zwei QuickTime-Cubic VRs für den Innenraum. Alle drei Bereiche werden von Klängen begleitet: Den Weg in das Gebäude untermalen die Schritte des Besuchers auf dem Holzboden, die sich mit dem Fortschreiten im Raum verändern. Im ersten Panorama (Predigtkirche) sind einige Sätze aus der Bergpredigt zu hören, gesprochen von Lutz Görner, der Sprecher steht an der Kanzel, der Hörer sitzt in einer der Bänke. Im zweiten Panorama (Feierkirche) erklingen einige Takte Orgelmusik eines zeitgenössischen Komponisten (Sigfrid Karg-Elert: "Hymne an die Sterne"), wobei der Zuhörer mit der Gemeinde in der Feierkirche steht, wie von Bartning vorgesehen. Wir verbinden nicht nur erstmals eine Architekturvisualisierung mit Klängen, sondern gehen gleich einen Schritt weiter, indem mit den sich im Raum bewegenden Schritten - Sender und Empfänger sind identisch - ein dynamisches Element hinzukommt. Alle Töne sind auf Geometrie und Oberflächen der Sternkirche abgestimmt. Den Einsatz von CAD in der Architektur vertiefen wir entscheidend, indem das digitale Modell nicht nur zeigt, wie das Gebäude ausgesehen hätte, wenn es gebaut worden wäre, sondern auch, wie es sich „angehört“ hätte.
(M.Frings)
SIMULATION DER AKUSTISCHEN EIGENSCHAFTEN DER STERNKIRCHE MIT NUMERISCHEN BERECHNUNGEN
Bei der Berechnung von Schallfeldern in größeren Räumen wie der Sternkirche bedient man sich zweier unterschiedlicher Methoden, bei denen der Schall entweder als eine Folge von sich ausbreitenden Schallteilchen oder aus einer Reihe von so genannten "Spiegelschallquellen" simuliert wird. In den meisten praktischen Anwendungen derartiger Berechnungsprogramme wird eine Kombination aus beiden Methoden verwendet, mit der man die gewünschte Relation von Genauigkeit und Bearbeitungsgeschwindigkeit erreicht.
Als Eingabeparameter dienen neben der dreidimensionalen Raumgeometrie der inneren Hüllfläche vor allem die Absorptionsgrade alpha und Diffusitätsfaktoren theta der Raumbegrenzungsflächen und Einbauten. Die wichtigste raumakustische Größe des Raumvolumens ist dabei die dem Gebäude eigene stereophone "Impulsantwort", die sich bei Wahl einer festen Position von Schallquelle und Schallempfänger ergibt. Darin sind alle räumlichen Informationen der Schallausbreitung für die spezifische Sender/Empfänger-Strecke eingegangen. Ziel ist einerseits die Analyse der raumakustischen Eigenschaften der Sternkirche, andererseits die Vermittlung eines Höreindrucks in diesem Raum (Auralisation).
Die Ausgangswerte wurden auf die Oberflächen abgestimmt (vgl. das Kapitel "Oberflächen" in der Website/CD-ROM): Holz klarlackiert für Boden, Gestühl, Kanzel, Altar, Holz lackiert für die Pfeiler, Holz unbehandelt für die Dachschalung. Ferner wurde die Raumsituation variiert (Kirche leer/voll) und der Standort von Sender und Empfängerort gewechselt. Der sich aus der Simulation ergebende Klangcharakter wurde mit den bekannten (gemessenen) Klangbildern vergleichbarer Bauwerke verglichen und kalibriert.
(www.sternkirche.de)